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Populismus versus Demokratie

  • von Cenk Sancak
  • 29 Aug., 2024

Laut dem Neues Deutsches Wörterbuch von Karl-Heinz Göttert ist der Populismus eine "opportunistische Politik, die die Gunst der Massen zu gewinnen sucht." [1]


Der Populismus ist ein altbewährtes Werkzeug, das insbesondere im gegenwärtigen Europa immer mehr an Bedeutung gewinnt. Immer häufiger schaffen es Politiker, die sich die Stilmittel des Populismus aneignen, an die Macht. Viele erfolgreiche Politiker unserer Zeit sind mit populistischen Stilmitteln an die Macht gekommen.

In der Öffentlichkeit, in den Medien und in der Politik werden wir immer häufiger mit dem Begriff Populismus konfrontiert. Auch in Deutschland sind Populisten auf allen gesellschaftlichen Ebenen auf dem Vormarsch und versuchen, sich möglichst breit im politischen System zu etablieren. Doch was ist Populismus überhaupt und welche Ziele verfolgen Populisten? Warum bedienen sich immer mehr Politiker des Populismus und was macht ihn so erfolgreich?

Um die heutigen politischen Entwicklungen in der Welt, vor allem Europa und Deutschland verstehen zu können, muss man sich mit dem Begriff Populismus und dessen Entwicklung auseinandersetzen. Dabei ist ein Augenmerk auf die angewandte Rhetorik und die Vorgehensweise der Populisten zu werfen.


Grundzüge des Populismus


Bevor wir zu einer detaillierten Darstellung des Populismus übergehen, muss klargestellt werden, dass es nicht den einen Populismus gibt, über den sich die Literatur einig ist. Eine umfassende Darstellung des Populismus erfordert zunächst die Klärung der Begrifflichkeit. Es existiert keine einheitliche Definition in der Literatur, vielmehr werden verschiedene Ausprägungen und Erscheinungsformen des Populismus unterschieden. Zudem ist die genaue Einordnung des Populismus in der politikwissenschaftlichen Debatte durchaus umstritten. Ist Populismus eine Ideologie oder nur eine politische Strömung? Der Göttinger Politologe Dr. Matthias Micus beschreibt den Populismus als eine "dünne Ideologie" [2], welche sich mit anderen politischen Ideologien bzw. "-ismen" kombinieren und verschmelzen lässt.

So besteht für den Populismus zwangsläufig die Gefahr von starken politischen Ideologien wie dem Nationalsozialismus oder Sozialismus eingebettet zu werden.

Erstaunlicherweise sind jedoch die Erkennungsmerkmale der Populisten nicht allzu vage und unklar wie der Begriff und seine Stellung in der Politikwissenschaft selbst. Tatsächlich lässt sich der Populismus unter ganz bestimmten Kriterien definieren.


Erkennungsmerkmale des Populismus

Der klassische Populismus richtet sich gegen jegliche Eliten, gegen politische Entscheidungsträger und versteht sich als Vertreter des Volkes, der seine Stimme gegen die abgehobene Elite erhebt. Die wichtigste Eigenschaft der Populisten ist wohl, dass sie anti-elitär agieren [3]. Der Populismus-Forscher Jan-Werner Müller bringt in der Debatte noch einen weiteren Punkt ein, nämlich dass der Anti-Elitarismus als zentrale Bestimmungsmerkmal für den Populismus nicht ausreichend sei. Nur mit der weiteren Komponente des Anti-Pluralismus würde der Populismus gänzlich bestimmt und ausfindig gemacht. Laut Müller reicht es ebenfalls nicht aus, einfache Lösungen für wirtschaftlich und politisch komplizierte Fragen aufzustellen und zu polarisieren, denn ohne den moralischen Alleinvertretungsanspruch, welchen die Populisten für sich fordern, neigt man eher dazu Demagoge zu sein als Populist.

Das Bild vom "Wir" und "Ihr" ist für Populisten ein wichtiges Instrument, um zu zeigen, dass nur sie alleine das Volk vertreten. Denn eins ist klar: Populisten versuchen, sich ausschließlich mit dem Volk zu legitimieren. So wollen sie ihre politische Ideologie auf dieser Basis weiter stärken.  

Zudem ist festzuhalten, dass Populismus ein Begriff ist, der gerne hervorgeholt wird, um dem politischen Gegner etwas böswilliges zu unterstellen und ihn bestenfalls sogar mundtot zu machen [4][5].  

In unserer Gegenwart dient der Begriff des Populismus in vielerlei Hinsicht als eine Art politische Beleidigung, um den politischen Gegner abzuwerten und zu diskreditieren. Dabei ist zu beobachten, dass in der populistischen Weltanschauung stets ein bestimmtes Freund-Feind-Schema vorzufinden ist, das interessenbedingt ganz bewusst von populistischer Seite inszeniert und aufgegriffen wird. 

Mit dieser strategischen Vorgehensweise und Polarisationsart bestimmen die Populisten ihre politischen Feinde und schrecken auch nicht zurück ihren Gegnern den Volksverrat zu unterstellen[6][7].   

Rechtspopulismus


Rechtspopulismus kann man als eine Art Weiterentwicklung bzw. Varietät des zuvor aufgeführten Populismus verstehen. Anders als beim klassischen Populismus, welches ausdrücklich die politische Elite als Feind einordnet, prägt sich neben dem anti-elitären Feindbild der Rechtspopulisten noch ein weiteres Feindbild aus.

Als selbsternannte Volksvertreter grenzen sie die eigene Gruppe, die sie als das wahre Volk bezeichnen, gegen andere ethnische und religiöse Minderheiten in Deutschland ab und tragen damit zwangsläufig zur Vergiftung der politischen Kultur des Landes und zur Spaltung der Gesellschaft bei. Rechtspopulisten propagieren in diesem Zusammenhang eine Rückbesinnung auf "nationale Werte" und "Traditionen", die sie als verloren oder bedroht darstellen. Dies führt zu einer oft offen rassistischen und ausgrenzenden Rhetorik, die die Gräben in der Gesellschaft weiter vertieft. In Deutschland ist in den vergangenen Jahren ein immer wachsender gesellschaftlicher Zuspruch gegenüber den Rechtspopulisten zu erkennen [8].   


Diese Illustration wurde mit Chat GPT 4o erstellt [9].

Umgang mit Populisten

Es ist kein Geheimnis, dass der Umgang mit Menschen, die sich dem Populismus bedienen, sich als äußerst schwierig erweist. Da sie nur sich selbst als die wahren Vertreter des Volkes verstehen und die restlichen Gruppen ausschließen, ist es äußerst mühsam mit den Populisten auf einer politisch korrekten Ebene im Dialog zu bleiben.

Das Prinzip der Populisten ist simpel: Entweder ist man im gleichen Boot oder der Feind!

Dieses Schwarz-Weiß-Denken macht es schwierig, auf einer sachlichen und respektvollen Ebene mit ihnen in Dialog zu treten.

Dennoch ist es nur gerecht und wichtig die Populisten auf Grund ihrer zugespitzten Aussagen nicht vollkommen auszuschließen. So schwierig und teilweise gefährlich es für die Demokratie auch zu sein scheint, sollten die Populisten auch die Chance gewährt bekommen, ihre politische Meinung kundzutun. Andernfalls würde dies nur die Populisten in ihrer zentralen These der politisch etablierten Elite, welche keine Kritik zulässt, bestätigen.

Die Gefahr, dass im Nachhinein die Populisten selbst als die Verfechter von Demokratie und Meinungsfreiheit hervorgehen könnten, wäre somit auch zu immens. Eine Anleitung für den richtigen Umgang mit Populisten, bringt der Populismusexperte Müller hervor. Solange die Populisten den Pluralismus anerkennen und nicht gegen Minderheiten hetzten, solle man gelassen bleiben und weitestgehend den Dialog suchen, so Müller. In der Tat kann der Populismus nur durch mehr Demokratie präventiert und ausgeschlossen werden. In diesem Kontext kann der Populismus auch als eine demokratische Bewährungsprobe aufgegriffen und verstanden werden.


Fazit

Zusammenfassend lässt sich der Populismus als eine anti-pluralistische und anti-elitäre Bewegung charakterisieren, die im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Demokratie steht. Während demokratische Systeme auf der Vielfalt und der Freiheit der Meinungsbildung basieren, zielt der Populismus darauf ab, diese Grundlagen zu untergraben, indem er eine einheitliche, vermeintlich „wahre“ Stimme des Volkes propagiert. Dabei bedienen sich Populisten bewusst einer Rhetorik der Angst und Ausgrenzung, insbesondere gegenüber Einwanderern und Minderheiten. Durch das Schüren von Ängsten und die Inszenierung als die einzigen Retter vor vermeintlichen Bedrohungen versuchen sie, politische und gesellschaftliche Unterstützung zu mobilisieren.

Die wachsende Präsenz populistischer Bewegungen, insbesondere bei den letzten Europawahlen, verdeutlicht die ernste Bedrohung, die der Populismus für die demokratische Ordnung darstellt. Noch nie zuvor waren populistische Kräfte so präsent und gleichzeitig so kontrovers wie heute. Diese Entwicklung zeigt, dass der Populismus nicht nur ein vorübergehendes Phänomen, sondern eine langfristige Herausforderung für die politische Stabilität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Europa darstellt. Daher bleibt der Umgang mit dem Populismus eines der zentralen Themen in der politischen Debatte und wird die europäischen Gesellschaften auch in den kommenden Jahren weiterhin intensiv beschäftigen. Die Notwendigkeit, demokratische Werte und Prinzipien zu verteidigen, ist angesichts dieser Herausforderungen von größter Bedeutung.

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Literaturverzeichnis

[1] Göttert, Karl-Heinz (2012): Neues Deutsches Wörterbuch, Köln: Helmut Lingen Verlag, S. 659.

[2] Micus, Matthias (2015): Das Gespenst des Populismus, in: Jahrbuch des Göttinger Instituts für Demokratieforschung 2014, , Stuttgart: Ibidem-Verlag, S. 34.
[3] Müller, Jan-Werner (2016): Was ist Populismus. Ein Essay, Berlin: Suhrkamp Verlag, S. 26.
[4] Decker, Frank (2004): Der neue Rechtspopulismus, Opladen: Leske und Buderich Verlag, S. 21.
[5] Rensmann, Lars (2006): Populismus und Ideologie, in: Frank Decker (Hrsg.): Populismus in Europa, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 59.
[6] Scharsach, Hans-Hennig (2002): Rückwärts nach rechts/ Europas Populisten, Wien: Carl Ueberreuter Verlag, S. 216.
[7] n-tv.de (2017): Deutschland deine Volkverräter. Die Hetzer haben das Wort, unter: http://www.n-tv.de/politik/politik_kommentare/Die-Hetzer-haben-das-Wort-article19516256.html, (abgerufen am: 20.08.2024).

[8] Meijers, Erica (2012): Einführung, in: Bureau de Helling (Hrsg.): Rechtspopulismus in Europa:Planet Verlag, S. 9.

[9] www.chatgpt.com

Cenk Sancak
Vorsitzender des D-TAB Göttingen
dtab_goettingen@mail.de
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