Das 18. Jahrhundert wird als eine bedeutende Transformationsperiode in der Geschichte der Diplomatie angesehen. In diesem Jahrhundert entwickelte sich die Diplomatie von traditionellen individuellen Gesandtschaftsaufträgen und temporären diplomatischen Missionen hin zu dauerhaften und institutionalisierten Strukturen. Der zunehmende Handel zwischen den Staaten, die Komplexität der internationalen Beziehungen und Friedensverhandlungen, die kontinuierliche Verhandlungen erforderten, machten die Kontinuität und Professionalisierung diplomatischer Aktivitäten notwendig. In diesem Transformationsprozess war Diplomatie nicht mehr nur auf die direkte Kommunikation zwischen Staatsmännern und Monarchien beschränkt, sondern entwickelte sich durch die Einrichtung ständiger Botschaften und die Standardisierung diplomatischer Protokolle zu einer systematischeren Struktur. Insbesondere in Europa wurden Städte wie Wien und Paris in dieser Zeit zu diplomatischen Zentren, und es entstand ein permanentes Interaktionsfeld und ein professionelles Diplomatieverständnis unter Diplomaten. Diese Entwicklungen symbolisieren die Umwandlung der Diplomatie des 18. Jahrhunderts in eine Disziplin, die die Grundlagen der modernen internationalen Beziehungen legte [1].
Die osmanische Diplomatie durchlief im 18. Jahrhundert parallel zu den Wandlungsprozessen in Europa eine bedeutende Entwicklung. Die traditionelle Außenpolitik des Osmanischen Reiches, die auf temporären Gesandtschaften basierte, erfuhr nach dem Frieden von Karlowitz (1699) einen großen Wandel. Die Verhandlungen in Karlowitz zeigten dem Osmanischen Reich, dass es die diplomatischen Entwicklungen in Europa und das System der ständigen Diplomatie genau verfolgen musste. Dieser Prozess wird als Beginn einer neuen Ära in der Diplomatie betrachtet, und die osmanische Regierung begann sich dem europäischen Modell anzunähern, indem sie ständige Botschaften errichtete. Darüber hinaus gewann das Amt des Reisülküttab zunehmend an Bedeutung und wurde zu einem Eckpfeiler der modernen osmanischen Diplomatie. Ursprünglich nur für die Verwaltung von Korrespondenz und bürokratischen Angelegenheiten verantwortlich, entwickelte sich das Reisülküttab-Amt (Das Amt des Obersten Kanzleivorstehers) [2].
im 18. Jahrhundert zu einem Zentrum für Außenbeziehungen und diplomatische Verhandlungen. Die Reisülküttabs spielten eine aktivere Rolle, indem sie über die ständigen Botschaften und diplomatischen Vertretungen in Europa sowohl die Entwicklungen in Europa beobachteten als auch die Interessen des Osmanischen Reiches wahrten. Während der Regierungszeit von Sultan Selim III. beschleunigte sich dieser Wandel, und es wurden ständige Vertretungen in wichtigen diplomatischen Zentren wie London, Paris und Wien eingerichtet. Zudem wurde mit der Gründung der Übersetzungsabteilung (Tercüme Odası) die Ausbildung des diplomatischen Personals und das Erlernen fremder Sprachen gefördert, um sicherzustellen, dass die diplomatischen Vertreter den internationalen Standards entsprachen. Auf diese Weise passte sich die osmanische Diplomatie dem europäischen Diplomatieverständnis an und erlangte eine institutionellere und professionellere Struktur.
Ahmet Resmî Efendi war im 18. Jahrhundert ein bedeutender Diplomat, der eine zentrale Rolle im Professionalisierungsprozess der osmanischen Diplomatie spielte. Er verkörperte die Bemühungen des Osmanischen Reiches, die Diplomatie zu modernisieren und sich an die diplomatischen Praktiken Europas anzupassen. Als Reisülküttab übernahm Ahmet Resmî Efendi Gesandtschaftsaufträge in Österreich und Preußen und erwarb sich ein umfassendes Wissen über die diplomatischen Traditionen inEuropa.
Ahmed Resmî Efendi wurde im Jahr 1700 in Resmo (Kreta) geboren und kam 1733 nach Istanbul, um seine Ausbildung zu vervollständigen. Er bekleidete im Laufe seiner Karriere verschiedene hohe Ämter innerhalb der osmanischen Verwaltung und zählt zu den herausragenden Staatsmännern des 18. Jahrhunderts. Ahmed Resmî Efendi diente unter anderem als Botschafter in Wien (1757) und Berlin (1771) sowie als Sadâret Kethüdâ (Stellvertreter des Großwesirs). Er verstarb am 31. August[4].
Ahmet Resmî Efendi vertrat die Auffassung, dass die Diplomatie mehr sei als bloße Repräsentation; sie erfordere professionelle Fähigkeiten wie das Sammeln strategischer Informationen, den Schutz der Interessen in internationalen Verhandlungen und die Gestaltung zwischenstaatlicher Beziehungen. Er arbeitete daran, dieses Verständnis in die osmanische Bürokratie zu integrieren. Insbesondere während seiner Gesandtschaft in Preußen in den Jahren 1763-1764 beobachtete er die diplomatischen Praktiken der europäischen Staaten und verfasste Berichte, um die osmanische Verwaltung darüber zu informieren. Diese Berichte stellten einen wichtigen Schritt im Institutionalisierungsprozess der osmanischen Diplomatie dar und zeugen von Ahmet Resmî Efendis Bemühungen, die Interessen des Osmanischen Reiches zu wahren und die Modernisierung voranzutreiben. Als professioneller osmanischer Diplomat arbeitete er daran, die neuen diplomatischen Verfahren Europas an das osmanische System anzupassen und so die Effektivität des Staates auf der internationalen Bühne zu steigern.
Seine Werke zeigen, dass Ahmed Resmî Efendi nicht nur als Staatsmann, sondern auch als Historiker, Gelehrter und Literat eine vielseitige Persönlichkeit war. Zu seinen bedeutenden Schriften zählen unter anderem das Nemçe Sefâretnâmesi, das Purusya Sefâretnâmesi und das Hulâsatü’l-itibar, eine Analyse und kritische Auseinandersetzung mit den Ereignissen des Osmanisch-Russischen Krieges von 1769 bis 1774. Weitere Werke umfassen das Hadîkatü’r-rü’esâ, das Biografien von 66 Reisülküttabs seit der Regierungszeit Süleymans des Prächtigen enthält, und das Hâmiletü’l-küberâ, das Biografien von 39 Oberhofeunuchen behandelt. Außerdem verfasste er das Coğrafya-yı cedîd, das Târîh-i Murâdî und die Tercüme-i Pend-i Attâr. Seine Gesandtschaftsberichte wurden in mehrere Sprachen, darunter Deutsch und Polnisch, übersetzt [5].
Seine Gesandschaft in Preußen war ein Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Osmanisches Reich und Preußen. Die Reformen, die der preußische König Friedrich II. in seinem Herrschaftsgebiet durchführte, erregten die Aufmerksamkeit des Osmanischen Reiches, das insbesondere die politische und militärische Annäherung zwischen Preußen und Russland als ein strategisches Risiko bewertete. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und um die potenziellen Auswirkungen auf die osmanischen Interessen zu analysieren sowie die Beziehungen zwischen den beiden Mächten detailliert zu beobachten, entsandte der Sultan im Jahr 1763 Ahmet Resmî Efendi als diplomatischen Gesandten nach Berlin. Die Mission von Ahmet Resmî Efendi umfasste nicht nur die Pflege diplomatischer Kontakte, sondern auch die Aufgabe, die politischen Machtverhältnisse in Europa im Hinblick auf die Interessen des Osmanischen Reiches zu analysieren und fundierte Berichte zu erstellen. Mit dieser Ernennung wurde Ahmet Resmî Efendi zum ersten ständigen Botschafter des Osmanischen Reiches in Berlin und markierte damit einen bedeutenden Schritt in der osmanischen Diplomatiegeschichte.
Am 29. November 1763 kam es im Sanssouci-Palast in Potsdam zu einem diplomatischen Treffen zwischen Ahmed Resmi Efendi und Friedrich II. von Preußen. In diesem Gespräch erläuterte der preußische König anhand einer Karte die strategischen Vorteile eines möglichen Bündnisses zwischen dem Osmanischen Reich und Preußen. Der Vorschlag Friedrichs II. zielte auf ein defensives Bündnis ab, das sich ausschließlich gegen Österreich richten und entweder zeitlich unbegrenzt oder für einen festgelegten Zeitraum, etwa 50 Jahre, gültig sein sollte. Für etwaige Konflikte mit Russland, die aufgrund der polnischen Frage entstehen könnten, bot der König seine Vermittlung an. Ahmed Resmi Efendi zeigte sich während des Gesprächs offen und nahm eine positive Haltung gegenüber den Vorschlägen Friedrichs ein[7].
Am 3. Dezember 1763 informierte Friedrich II. in einem Schreiben die Hohe Pforte über sein Bündnisangebot, welches am 19. Januar 1764 durch eine offizielle Eingabe des preußischen Gesandten in Istanbul übermittelt wurde. Es zeigt sich, dass das vorgeschlagene Bündnis in Istanbul wohlwollend aufgenommen wurde. Der am 1. November 1763 neu ernannte Großwesir Mustafa Bahir Pascha, ein Befürworter engerer Beziehungen zu Preußen, stand ebenso wie Sultan Mustafa III. dem Bündnis positiv gegenüber. Es wurde jedoch entschieden, die endgültigen Verhandlungen über das Abkommen erst nach der Rückkehr Ahmed Resmi Efendis nach Istanbul aufzunehmen. Angesichts der Dringlichkeit seiner Rückreise sah sich Ahmed Resmi Efendi auf Drängen Friedrichs gezwungen, am 20. April 1764 ein Abschiedsgespräch zu führen und am 2. Mai 1764 von Berlin aus die Heimreise anzutreten[8].
Diese Begegnung zwischen dem preußischen König Friedrich II. und dem osmanischen Gesandten Ahmed Resmî Efendi illustriert eindrucksvoll den Gegensatz zwischen einer an Traditionen orientierten und einer von den Prinzipien der Aufklärung geprägten Weltsicht. Sultan Mustafa III. hatte über seinen Diplomaten Ahmed Resmî Efendi eine offizielle Bitte an Friedrich II. gerichtet, ihm drei Müneccim (Sterndeuter) zu entsenden. Im Osmanischen Reich spielten Astrologen insbesondere bei politischen und militärischen Entscheidungen eine zentrale Rolle. Vor allem in den oberen Verwaltungsebenen war es üblich, astrologische Prognosen einzuholen, um den optimalen Zeitpunkt für wichtige Entscheidungen festzulegen. Diese Praxis war tief in den osmanischen Regierungsstrukturen verankert und beeinflusste sowohl die strategische Kriegsführung als auch alltägliche Verwaltungsprozesse. Sultan Mustafa III. folgte dieser Tradition und betrachtete die astrologische Beratung als unverzichtbar [11].
Friedrich II. der Große hingegen verkörperte als Herrscher des Zeitalters der Aufklärung eine vollkommen andere Regierungsphilosophie, die auf wissenschaftlichen und rationalen Prinzipien beruhte. Seine Antwort auf die Bitte des osmanischen Sultans symbolisierte diesen grundlegenden Gegensatz. Friedrich erwiderte, er verfüge bereits über drei „Sterndeuter“ und führte folgende Punkte auf:
Diese Anekdote veranschaulicht die intellektuellen und konzeptionellen Unterschiede, die bei den osmanischen Bemühungen, westliche Wissenschaft und Technologie zu übernehmen, zutage traten. Der Wunsch von Mustafa III. nach westlichen Astrologen kann als Versuch gesehen werden, das traditionelle Glaubens- und Verwaltungssystem des Osmanischen Reiches zu bewahren. Friedrichs Antwort hingegen spiegelt die zentralen Ideen der Aufklärung und die strukturellen Prinzipien eines modernen Staates wider, der auf historischen Lehren, militärischer Stärke und wirtschaftlicher Stabilität basiert.
Literaturverzeichnis
[1] Vgl. Norman Davies, Europe: A History,Oxford 1996, 581–582.
[2]A. R. Abou el-Hajj, “Karlofça’da Osmanlı Diplomasisi I” (trc. Yasemin Saner Gönen), TT, XXXII/191 (1999), s. 38-39; Recep Ahıshalı, Osmanlı Devlet Teşkilatında Reisülküttâblık (XVIII. Yüzyıl), İstanbul 2001, s.46; Hilal Çiftçi Osmanlı Devleti’nin XVIII. Yüzyılda Diplomasi Alanında Geçirdiği Değişimin Diplomatik Dile Yansıması, Çankırı 2010, s.687.
[3] Faik Reşit Unat, Osmanlı Sefirleri ve Sefaretnameleri, TTK, Ankara, 1992, s. 77.
[4] Virginia Aksan, An Ottoman Statesman in War & Peace: Ahmed Resmi Efendi, 1700-1783, The Ottoman Empire and Its Heritage : Politics, Society and Economy, Vol 3, 1995 , s. 22.
[5] Bekir Kütükoglu, Ahmet Resmi Efendi, in. Diyanet Islam Ansiklopedisi, c.2, Ankara 1981, s. 121-122 .
[6] Hüseyin G. Yurdaydın, “Ahmed Resmî Efendi ve Bazı Düşünceleri”, Mustafa Reşid Paşa ve Dönemi Semineri (Bildiriler), Ankara 1987, s. 65-70.
[7] Kemal Beydilli, 1790 Osmanlı-Prusya İttifâkı (Meydana Gelişi-Tatbiki-Tahlili), Istanbul Üniversitesi yay., Istanbul 1981, s.15-15.
[8] Ibid. Beydilli, 1790 Osmanlı-Prusya İttifâkı, s.16.
[9] Bedriye Atsiz (ed.), Ahmed Resmî Efendinin Viyana ve Berlin Sefaretnâmeleri, Istanbul 1980 ,s.60-72.
[10] Vgl. Johannes Kunisch, Friedrich der Große: Der König und seine Zeit, 2005. s. 46-72; vgl. Jürgen Luch, Der Große: Friedrich II. von Preußen, 2014, s.85-109.
[11] İsmail Hakkı Uzunçarşılı, Osmanlı Tarihi: Karlofça Anlaşmasından XVIII. Yüzyılın Sonlarına Kadar, in: Atatürk Kültür, Dil Ve Tarih Yüksek Kurumu Türk Tarih Kurumu Yayınları, 4. Cilt, 6. Baskı, Ankara 1978, s. 343; Vgl. Heinrich Friedrich Diez (ed. & transl.), Wesentliche Betrachtungen oder Geschichte des Krieges zwischen den Osmanen und Russen in den Jahren 1768 bis 1774 von Resmi Achmed Efendi, Halle und Berlin 1815.